Aufgewachsen in Langnau, ist Lia Wälti heute Aushängeschild des Schweizer Damenfussballs. Sie ist Kapitänin der Nationalmannschaft und spielt seit 2018 im Londoner Top-Club Arsenal.
Nicht zuletzt in der Corona-Zeit wird von Fussballprofis stets vorbildliches Verhalten erwartet. «Die strengen Regeln im Fussball können uns einsam machen», berichtet Lia Wälti im Zoom-Videointerview mit «Hope Emmental». Manchmal wünsche sie sich, unbeschwert mit ihren Leuten zusammen zu sein. «Aufgrund des mutierten Virus konnte ich selbst über Weihnachten nicht in die Schweiz reisen.» Da braucht selbst die positiv eingestellte Lia mal jemanden, um sie zu motivieren. Im Moment sei sie froh um jedes absolvierte Spiel, weil sie dies der Sommerpause näherbringt, in welcher sie ihre Leute in der Schweiz wieder treffen darf.
Auch in einem Interview mit dem Schweizer Fernsehen SRF am 21. Januar 2021 nahm die England-Söldnerin kein Blatt vor den Mund. Schon in diesem Gespräch gab sie offen zu, wie schwierig es sei, sich zu unter diesen Umständen zu motivieren: «Mir fehlt die Motivation für das, was ich eigentlich am liebsten mache.» Wälti weiss, dass sie als Profi-Fussballerin bei Arsenal privilegiert ist. Dennoch sagt sie: «Man braucht diesen Ausgleich, den Kontakt mit Familie und Freunden.» Der fehle derzeit fast komplett.
Familie, Förderer und Freunde
Den Grund ihres Erfolgs sieht sie in zahlreichen Menschen, die sie auf ihrem Weg gefördert haben. «Meine Eltern haben mich immer unterstützt. Dann hatte ich auch immer Trainer, die das Beste aus mir herausgeholt haben.» Nie habe jemand sie gebremst. Das Wichtigste seien für sie sowieso die Menschen, die sie umgeben, betont die 27-jährige Emmentalerin. In allen wichtigen Karriereschritten habe sie sich mehr davon leiten lassen, als von den Arbeitsbedingungen oder dem Lohn. «Ich hatte auch das Glück, stets gute Berater an meiner Seite zu haben.» Das gute Umfeld, gepaart mit Talent und Wille verhalfen ihr dazu, heute beim Arsenal Women Football Club, einem der erfolgreichsten Frauenteams Europas, kicken zu dürfen.
«Ich hatte auch das Glück,
stets gute Berater
an meiner Seite zu haben.»
Sportliche Rückschläge gab es bisher kaum in Wältis Karriere. In ihrer Zeit bei Turbine Potsdam lernte sie erstmals kennen, wie hart es ist, sich nach längerer Verletzungspause zurückzukämpfen. In der Vorbereitung mit dem Bundesligateam hatte sich die Mittelfeldspielerin das Aussenband im rechten Knie gerissen und musste operiert werden. Doch sie schaffte ein beeindruckendes Comeback. Ihr damaliger Trainer Matthias Rudolph gab in einem Bericht auf dem deutschen Sportnachrichtenportal «Sportbuzzer.de» im November 2016 seiner Bewunderung Ausdruck, wie die Schweizerin zurückkam. «Sie ist eine unserer Anführerinnen, sowohl menschlich als auch leistungsmässig geht sie klar voran und ist zurecht Kapitänin.» Ein weiterer Rückschlag für Lia Wälti war die Nichtqualifikation mit der Frauennationalmannschaft für die WM 2019 in Frankreich. Diese harten Momente verblassen jedoch neben vielen schönen Momenten und Erfolgen, welche die Langnauerin bisher in ihrer Fussballkarriere erleben durfte.
Botschafterin für mehr als nur Fussball
Lia Wälti ist sich ihrer öffentlichen Rolle sehr bewusst. «Als Fussballprofis werden wir in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Das gibt Möglichkeiten, immer mal ein Statement abzugeben». Ein solches Statement gab die Schweizer Nati beispielsweise vor dem Spiel gegen Belgien ab, als alle 22 Spielerinnen auf die Knie gingen, um ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen.
Weil sie von Natur aus gerne Verantwortung übernimmt, hatte Lia Wälti schon öfters eine Leiterrolle inne. Schon bei den Berner Young Boys, mit denen sie 2012 Schweizer Meisterin wurde, war sie die Mannschaftsführerin. Auch in der Schweizer Nationalmannschaft hat sie dieses Amt inne. «Es entspricht wohl meinem Naturell, dass ich Dinge in die Hand nehme, die geregelt werden müssen – sei es auf oder neben dem Platz.»
«Es entspricht wohl meinem Naturell, dass ich Dinge in die Hand nehme, die geregelt werden müssen – sei es auf oder neben dem Platz.»
«Wünsche den SCL Tigers noch etwas mehr Punkte!»
Längerfristige Zukunftspläne macht Lia Wälti nicht so gerne. «Die nächsten fünf bis sechs Jahre würde ich sicher gerne weiter auf höchstem Niveau Fussball spielen und auch mit der Nati an einem grossen Turnier teilnehmen». Wo sie danach landen werde, wisse sie aber noch nicht.
Zum Abschluss des knapp 40-minütigen Interviews, das am 5. Februar 2021 stattfand, schickt Lia Wälti aus ihrer Wohnung in der Nähe des Flughafens London-Luton herzliche Grüsse ins Emmental und outet sich auch als Fan der SCL Tigers: «Ich drücke den Tigers natürlich immer die Daumen und wünsche ihnen in diesem schwierigen Jahr so viele Siege wie möglich!»