Christoph Trummer setzt sich in dieser Zeit, in der praktisch alle Kunst und Kultur brachliegt, auf politischer Ebene für die Musikschaffenden ein. Liebend gerne würde der 42-jährige Berner Oberländer auch selbst auf Tournee gehen, zumal er 2020 mit «Familienalbum» sein wohl bisher persönlichstes Album herausbrachte. Er thematisiert darin den frühen Tod seiner Eltern.
«Was ist der grösste Wert der künstlerischen Arbeit? Sie macht ein Angebot, selbst in den Spiegel zu schauen und das eigene Leben zu betrachten.» Das ist das Selbstverständnis von Christoph Trummer als Mensch, der das Leben tief ergründen und andere daran teilhaben lassen möchte. Dieses Herausfordern, Provozieren und damit die andere Person aufs eigene Leben Zurückwerfen gelingt dem Liedermacher nicht nur durch seine tiefgründigen und doch schnörkellosen Texte, sondern bereits durch die Art und Weise, wie er heute in Urtenen-Schönbühl lebt.
Solidarisch Wohnen
Er teilt sein Leben mit insgesamt 27 Personen in der solidarisch organisierten Lebensgemeinschaft SoWo. Ein Teil der Gruppe ist in einer Gemeinsamen Ökonomie noch enger verbunden. Das heisst konkret: alle Löhne fliessen auf einem gemeinsamen Konto zusammen, über welches dann alle anfallenden Rechnungen beglichen werden. «Dieses Konzept der Gemeinsamen Ökonomie hat meine Partnerin und mich als Musiker in der ersten Zeit der Pandemie finanziell durchgetragen, weil wir länger auf Hilfszahlungen warten mussten.» In einer grossen Gemeinschaft zu leben, habe in Zeiten von Corona schöne und schwierige Seiten. Beim Essen etwa müsse man in «Seuchengruppen» getrennt an den
Tischen sitzen. Und auch sonst im Alltag die Abstände einzuhalten, sei nicht einfach. Für einige sei es aber auch ein Segen, «denn bei uns ist niemand allein».
Was die Gemeinschaft verbindet, sind ähnliche Ideale punkto Konsum und Zusammenleben. Man unterstützt einander und führt gar nicht genau Buch, wer wie viel einzahlt oder ausgibt. Nur ausserordentliche Ausgaben von über 400 Franken müssten angemeldet werden, damit es keine unerwarteten Engpässe gebe, erwähnt Christoph Trummer beiläufig. «Wir sind zwar nicht eine christliche Gemeinschaft, gleichwohl hat dieses solidarische Leben für mich etwas sehr Christliches. Wenn man nicht nur für sich selbst schaut, sondern im Vertrauen miteinander grosszügig teilen kann, ist das etwas sehr Schönes. Da denke ich oft an die guten Geschichten, die Jesus erzählt hat.»
Familienprägung
Christoph Trummers gute Kenntnisse der biblischen Geschichten haben in erster Linie mit seiner familiären Herkunft zu tun. Er wuchs in Frutigen in einer Familie auf, die regelmässig eine Freikirche besuchte. Wie ihn dies prägte, aber noch viel mehr, wie ihn seine Eltern, ihre Geschichte und ihr Tod prägten, sind zentrale Themen seines Werks «Familienalbum», das als CD-Buch erschienen ist und das von der Berner Zeitung BZ als «literarischer Wurf» gelobt wurde.
«Plötzlich war niemand mehr da, der meine Prioritäten im leben kritisierte und verurteilte.»
Tatsächlich entpuppt sich der Liedermacher auch als Schriftsteller, wenn er zum Beispiel über die Gleichzeitigkeit von sich widerstrebenden inneren Bewegungen schreibt und darüber sinniert, ob es wohl schwieriger sei, mit schweigenden oder verstorbenen Eltern weiterzuleben. Es war im März 1998, als das Herz seines Vaters versagte. Drei Jahre später, im Juli 2001, verstarb die Mutter an den Komplikationen einer Krebserkrankung. Da war Christoph Trummer 19 beziehungsweise 22 Jahre alt.
Trummer gesteht, dass der Tod seines Vaters für ihn durchaus eine Erleichterung war. «Plötzlich war niemand mehr da, der meine Prioritäten im Leben kritisierte und verurteilte», schreibt er. Ein anderer Teil in ihm hätte die Beziehung aber auch gerne weitergeführt. Wie käme er wohl heute mit seinem Vater aus, fragt sich der 42-Jährige, der inzwischen selbst Vater einer dreijährigen Tochter ist.
Diese schonungslose Ehrlichkeit, mit der Trummer die Beziehung seiner Eltern zueinander und zu den Kindern betrachtet, macht dieses Buch aussergewöhnlich. Dabei wird er nach und nach versöhnlicher mit seinen Eltern, wenn er schreibt, sie hätten zwar schon oft nur nebeneinander funktioniert, aber «irgendwie hatten sie einander schon gern». Heute wisse er aus eigener Erfahrung, dass in Beziehungen höchst selten alles immer einfach und harmonisch bleibt. «Wenn man sich richtig kennenlernt, dann kommt viel Schönes, aber auch viel Herausforderndes zum Vorschein. Das gehört dazu.»
Sinn des Lebens
Die Auseinandersetzung mit dem Schweren und den Widersprüchen im Leben haben Christoph Trummer geformt, sodass er heute auch über schwierige Themen wie den Tod gut reden kann. «Es gibt so viele Faktoren, die den Tod eines jeden Menschen zu einem unvergleichbaren Ereignis machen. Im öffentlichen Diskurs haben diese sehr individuellen
Prozesse leider nur wenig Platz.» Auch seit er 2017 Vater wurde, habe er in Gesprächen immer wieder festgestellt, dass sich viele stärker mit dem Metaphysischen beschäftigen, als es der öffentliche Diskurs zeigen mag. «Wenn man eine Geburt erlebt hat, diese Heiligkeit des Lebens, dann kann man sich dieser Kraft kaum entziehen.»
Den Sinn des Lebens sieht Trummer im Leben selbst. Spirituelle und religiöse Lebensanschauungen schliesst das für ihn nicht aus. Er versteht und schätzt sie auch als Wortschatz um das Unfassbare am Leben zu benennen. «Dies ist die eine Gelegenheit, die ich habe, ein Leben als Christoph Trummer zu leben. Die Neugier darauf, wo es mich noch hinführt, treibt mich an und hilft mir, mich auch mal durchzubeissen.»
Existenzkampf
Apropos Durchbeissen, da wären wir bei Christoph Trummers Engagement für die freischaffenden Musiker in der Schweiz. Konkret vertritt er die Interessen des Berufsverbands SONART auf politischer und gesellschaftlicher Ebene. «Ich vertrete
die Musik in der ‹Taskforce Culture›, in der das ganze Ökosystem der Kultur – von den Kulturschaffenden über die Veranstaltenden bis zu den Agenturen und den technischen Berufen – vertreten ist.» Für die Kultur sei die Pandemie in der Tat ein Existenzkampf. Einige Mitstreiter hätten in diesem Kampf bereits aufgegeben, stellt Trummer traurig fest. «Es war schon vor Corona ein Fight, jetzt haben einige die Ausdauer verloren.» Gerade wenn man noch am Anfang stehe oder nur wenig Zeit für die Musik habe, stelle sich in dieser Zeit erst recht die Sinnfrage. Bedroht sind auch Bars und Restaurants, welche die Kultur gefördert haben. «Es wird auf jeder Ebene des Kulturbetriebs weniger geben.»
Und dennoch gibt sich Trummer kämpferisch. Es müsse irgendwie weitergehen. Der Wunsch, durch sein künstlerisches Wirken noch mit vielen Menschen in einen inspirierten Austausch zu treten und gemeinsam in diesen Spiegel zu schauen, in dem man das eigene Leben reflektieren kann, motiviert ihn weiterzumachen.
Positiver Entwicklungsprozess
Auch selbst möchte er so leben, dass ihm jederzeit jemand den Spiegel hinhalten könnte. «Natürlich möchte ich das, was ich im Spiegel sehe, annehmen können. Ich möchte Nachsicht mit mir selbst haben, ohne mir gleich alles durchgehen zu lassen.» Schlussendlich sei wohl entscheidend, ob es einen positiven Entwicklungsprozess gebe und vorwärts gehe. «Es geht nicht darum, alles perfekt zu machen, sondern vielmehr um den Prozess an sich, meine Entwicklung als Mensch.»
Zur Webseite von Christoph Trummer: trummeronline.ch