Freitag, 17. Mai 2024

Die Freude hat Vorfahrt

Beat Feuz
Der gebürtige Schangnauer wird nicht nur als Sportler sehr bewundert, er ist durch seine bodenständige Art auch ein Sympathieträger. Welche Werte sind ihm als Mensch wichtig? Was zählt für ihn im Leben?

«Hope Emmental» erreichte Beat Feuz nach einem Training auf der Lenzerheide am 24. Februar 2021. Für ihn galt es nach der Ski-WM in Cortina d’Ampezzo, an der er Bronze in der Abfahrt gewann, die letzten Weltcuprennen in Angriff zu nehmen. Im Kampf um die kleine Kristallkugel im Abfahrts-Weltcup lag er zu diesem Zeitpunkt 48 Punkte vor seinem ersten Verfolger Matthias Mayer aus Österreich. Da sich Redaktor Florian Wüthrich und Beat Feuz bereits persönlich kennen, fand das Interview per Du statt.

Hope Emmental: Beat, wie sehr ist dir bewusst, dass du ein Botschafter für das Emmental bist?
Natürlich ist mir das in den letzten Jahren bewusst geworden. In den Zeitungsberichten wird ab und zu vom «Emmentaler» oder «Schangnauer» geschrieben. Ich kenne jede Ecke in diesem Gebiet Schangnau-Kemmeriboden und geniesse es, wenn ich irgendwo an der Emme sein kann. Das ist einfach Heimat für mich und ich fühle mich sehr verbunden mit dieser Region.

Die Schweizer Illustrierte betitelte dich nach dem Doppelsieg in Kitzbühel als «König der Bodenhaftung». Damit ist nicht nur dein fahrerisches Können gemeint, sondern auch dein natürliches Auftreten. Wie kommt es, dass du immer so ruhig wirkst?
Ich versuche einfach, auf und neben der Skipiste mich selbst zu sein, so wie ich aufgewachsen bin und mich wohl fühle. Für mich gibt es nicht nur das Skifahren, sondern noch viel rundherum, in erster Linie meine Familie mit meiner Freundin und der kleinen Tochter. Aber auch das Skifahren und die Kollegschaften in dieser Szene sind mir wichtig. So versuche ich, mir selbst treu zu bleiben, unabhängig davon, was ich im Sport erreiche.

Welche Werte wurden bei der Familie Feuz schon immer hochgehalten?
Ich glaube, vor allem das Bodenständige. Ich bin auf dem Land aufgewachsen, hatte während der Schulzeit meine Kollegen, mit denen ich mich heute noch treffe, wenn ich im Emmental bin. Auf dem Land ist alles weniger schnelllebig. In einer Stadt kennt man die Nachbarn zwei Häuser weitergar nicht mehr. Das ist im Schangnau anders; dort ist alles etwas gemütlicher. Das gefällt mir.

Wie oft kommt es tatsächlich vor, dass du deine «alten» Freunde aus der Heimat triffst?
Aktuell ist es schwierig, dass man sich trifft, weil alles mit Risiken verbunden ist. Deswegen bin ich auch allein im Hotelzimmer hier in der Lenzerheide. Aber falls möglich trommle ich immer meine obligaten Freunde zusammen, wenn ich im Emmental bin. Das fühlt sich stets so an, als hätten wir uns gestern erst gesehen.

In einem Interview Anfang 2021 hast du über den Start deiner Weltcup- Karriere vor 15 Jahren gesprochen. Da hast du dich selbst als «Lausbub, der das Leben geniesst und es lustig haben will» bezeichnet. Hat sich diese Lebenseinstellung in der Zwischenzeit verändert?
Rein von der Lebenseinstellung hat sich nicht viel verändert. Skifahren ist nach wie vor mein Beruf, es muss sich aber nicht alles darum drehen. Früher war es der Lausbub, der gerne andere Sachen ausprobiert hat, heute zählt neben der Skipiste meine Familie. Auch in der Familie darf der Spassfaktor nicht zu klein sein – und das ist er bei unsdefinitiv nicht! Da kommt dieser «Lausbub» noch immer zum Vorschein.

Inwiefern hat dich die Geburt deiner Tochter Clea verändert?
Als Vater hat sich auf jeden Fall meine Einstellung zum Ganzen verändert. Ich bin froh um jeden Tag, den ich zu Hause verbringen kann. Es ist einfach genial zu sehen, wie ein kleiner Mensch grösser wird und als Familie zusammen das Leben zu gestalten. Das war auch der positive Aspekt an der Zwangspause im Frühling 2020 durch den Lockdown. Ich war in den letzten Jahren nie drei bis vier Monate am Stück zu Hause. So gesehen habe ich diese Zeit sehr genossen.

Du lebst im Moment mit deiner Freundin und deiner Tochter im Tirol. Kannst du dir vorstellen, später wieder mal ins Schangnau zurückzukehren?
Sag niemals nie, aber momentan gefällt es uns sehr gut in Österreich.

Der Präsident des österreichischen Skiverbands wollte dich neulich von einem Nationenwechsel zu Österreich überzeugen, was du Gott sei Dank ausgeschlagen hast…
Ja, das war eine lustige Anekdote. Er schlug dies tatsächlich so vor, aber ich kenne ihn gut und weiss, wie das gemeint war. So lehnte ich dankend ab und schickte noch einen lustigen Spruch zurück an Peter Schröcksnadel.

Dass die Österreicher dich gerne aufnehmen würden, kann man gut nachvollziehen. Du hast als Skirennfahrer an mehr als 50 Weltcuprennen einen Podestplatz erreicht, dazu kommen Medaillen an Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. Mit welchen Gefühlen blickst du auf deine Karriere zurück?
Wenn ich heute mein Palmares anschaue, macht mich das sprachlos. Das ist viel mehr, als ich mir je erträumt hatte. Ich hatte einige Verletzungsgeschichten, die mich zurückwarfen. Als die Knieprobleme 2012 schlimmer wurden und auch eine Infektion dazu kam, fürchtete ich schon, nie mehr Ski fahren zu können. Zu diesem Zeitpunkt traute man mir nicht mehr viel zu – und auch ich hatte meine Zweifel.

Was hat dich in diesen Momenten stark gemacht?
Da gehört vieles dazu. Ich hatte in dem Moment das Gefühl, es sollte doch noch irgendetwas möglich sein. Irgendwie hatte ich noch nicht abgeschlossen mit meiner Karriere und wollte nicht einfach aufgeben. Hinzu kam, dass ich die richtigen Leute um mich hatte, die mir Mut machten. Ich sagte mir, wenn es nach zwei oder drei Jahrennicht funktioniert, dann musst du einsehen «ok, das war's dann» Die letzten Jahre haben mir am Schluss recht gegeben. Es war gut, dass ich es versucht und weitergekämpft habe.

Wie steht es jetzt damit, neue Ziele zu setzen und Motivation zu finden, dranzubleiben?
Dranbleiben will man automatisch. Von den sportlichen Zielsetzungen bin ich weggekommen, das gebe ich ehrlich zu. Ich starte nicht in eine Saison und will dies und jenes erreichen, oder Ende Saison die Nummer 1 sein. Wenn es gut läuft, ergibt sich das, und sonst eben nicht. Ich fahre gern Ski. Ich fahre gern Rennen. Ich möchte das Adrenalin am Start spüren, wenn ich mich mit den anderen messe. Darum geht es mir, um die Freude am Skifahren. Ich möchte mich nicht auf irgendetwas versteifen.

Diese Einstellung erinnert stark an Roger Federer, den wohl stärksten Botschafter unseres Landes. Er ist auch eine Inspiration für viele Menschen – gerade auch durch sein Comeback nach der langen Verletzungspause, als er 2018 direkt die Australien Open gewann…
Genau, da gibt's gewisse Parallelen. Ich glaube, wenn man immer nur zuoberst ist, werden die Erfolge irgendwann selbstverständlich. Roger Federer ist hier das Paradebeispiel. In der Schweiz wusste man seine Erfolge nicht immer zu schätzen. Der richtige Hype kam erst, als er weg vom Fenster war und dann zurückkam und gleich gewann. Er war schon vorher fast ein Gott, aber seit diesem thront er ganz oben in der Sportwelt.

Blicken wir in die Zukunft: Was sollte erfüllt sein, damit du glücklich und zufrieden bist im Leben?
Mit dem Skifahren kann es noch ein bis drei Jahre dauern oder bald zu Ende sein. Das weiss ich selbst nicht. Was nach der Karriere kommt, kann ich auch noch nicht sagen. Auf jeden Fall soll es etwas sein, das mir Spass macht. Auf der Hand liegt, dass es mit Sport oder sogar Skisport zu tun haben könnte; damit kenne ich mich bestens aus.

Sehen Sie sich das Interview mit Florian Wüthrich und Beat Feuz vom 24. Februar 2021 an:
 

Autor: Florian Wüthrich
Quelle: HOPE-Regiozeitungen